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Netzwerke und Flowings – Malerei 2010 – 2014

Die künstlerische Arbeit Fassbenders umfasst neben Objekten (Kinetische Wandobjekte ), Raumarbeiten ( Pfeile, Winkel, weiche Pfeiler, Stühle, kinetische Videobänder und Raumstäbe, japanischer Garten )  und Skulpturen im öffentlichen Raum (Winkel und Doppelwinkel )  drei Werkgruppen mit Bildern:

1. Netzarbeiten 1, 2008 – 2010

2. Netzarbeiten 2, 2011 – 2013

3. Flowings – Farbflüsse, Aquarelle, 2014

Alle drei Werkgruppen zeigen die Auseinandersetzung mit kinetischen Prozessen auf Bildoberflächen.

Die Netzarbeiten 1 untersuchen den Zusammenhang von transparenten Gewebestrukturen und farbigen Untergründen. Die Schichtung schwarzer, weißer und grauer Netze überzieht die Bildfläche infolge von Interferenzen der Netze mit zufallsbedingten Farbe – Form – Strukturen, deren kinetische Wirkung im Zusammenhang mit der Bewegung des Betrachters in Erscheinung tritt. Die schwarz – weiß gezeichneten Raster – Netze repräsentieren statische Verhältnisse und pointieren so den realen Bewegungs – und Veränderungsprozess der Formstruktur.

Die Netzarbeiten 2 stellen eine erweiterte Fassung der Netzarbeiten dar. In ihnen  gehen zwei Systeme eine  Beziehung ein: ein malerisches und ein grafisches System.

Das malerische System basiert auf einer informellen Farbstruktur. Kompositionelle Überlegungen werden bewusst vermieden, so dass der Eindruck einer die Bildränder überschreitenden Farbbewegung entsteht. Die zufallsbedingten Formen verbinden sich zu chaotischen, irrationalen Komplexen, die sich einer eindeutigen Identifikation entziehen.

Netzwerke 2,  Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100 x 120 cm

Netzwerke 2, Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100 x 120 cm

Infolgedessen beflügeln sie die Assoziationsfähigkeit des Beschauers, der im Wahrnehmungsprozeß möglicherweise Analogien zu persönlichen Erfahrungen aktualisiert. Die Bilderfahrung des Betrachters setzt eine primär einfühlsam-affektive Rezeption voraus, die sich in der Folge mit überwiegend naturhaften Vorstellungen verknüpft. Diese Sinnebene erschließt sich durch die Farbbeziehungen und die Qualität der zufallsbedingten Farbformen.

Das grafische System tritt wiederum als Rasterstruktur in Erscheinung.

Netzwerke 2,  Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100

Netzwerke 2, Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100

Die zeichnerische Abbildung der netzartigen Raster vermeidet jede Anspielung auf  Gegenstandsbezüge, sondern veranschaulicht das Verhältnis von senkrechten und waagerechten Linienverläufen und ihre rechtwinklige Stellung zueinander. Die Zeichnung generalisiert ein Konstruktionsprinzip, das auf rigide Weise schlechthin den Begriff der Ordnung repräsentiert. Diese überzieht in Gänze als nicht – farbiges, schwarz – weißes Quadrat – Raster das farbige Bildfeld.

Die Transparenz mehrerer gegeneinander verschobener Netzzeichnungen ermöglicht dem Betrachter eine Sicht in die verschiedenen Tiefen – Schichten der Bilder , die sich allerdings einer eindeutigen Bestimmung ihrer räumlichen Positionen entziehen. Diese oszillieren zwischen der Wahrnehmung der Farbstruktur und dem grafischen System.

Beide Systeme treten in einen engen Bezug zu einander, behaupten jedoch kategorial ihren autonomen Anspruch. Der Eindruck von malerischer Bewegung und gezeichneter Statik verhindert eine integrative Versöhnung. Auf diesen Zusammenhang trifft zu, was Max Imdahl mit Bezug auf E. Manet als „ Untrennbarkeit im Modus der Getrenntheit“ bezeichnete. Der Betrachter muss sich mit dem Widerspruch zweier Gewissheiten abfinden. Ihm bleibt aber die Möglichkeit, beide Systeme als zwei Seiten einer Medaille zu reflektieren und als integrative Einheit aus Rationalität und Irrationalität wahrzunehmen.

Netzwerke 2,  Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100

Netzwerke 2, Acryl und Faserstifte auf Leinwand, 2013, 100

Die Wahrnehmung der Rastermethode  macht ein System bewusst, das genetisch und entwicklungsgeschichtlich im Subjekt des Betrachters verankert ist und als „ topologische Kompetenz“ bezeichnet werden kann. Es regelt das Verhältnis des Menschen zum Raum und tritt als Koordinatensystem konkret – zeichnerisch in Erscheinung: die Waagerechte (Horizont) liefert Informationen über links und rechts und der Höhe der Augen vor einem Objekt, die Senkrechte (Vertikale) über unten und oben und gibt Auskunft über den Standort des Betrachters; schließlich verweist es auf vorne und hinten als Anhaltspunkte für räumlichen Beziehungen.

In den Netz – Arbeiten tritt folglich dieses Koordinatensystem als Methode der Orientierung  in Erscheinung. Sie wird zum Teil-Inhalt der Bilder und zugleich zu einem repräsentativen Zeichen für eine messbare, statische, geordnete, dogmatisch anmutende Bilderfahrung, ganz im Gegensatz zur freien von Zufällen bestimmten Entwicklung der Farbe.

Die so geartete Konfrontation der Bildmethoden erweist sich als Mittel, ihre spezifischen Unterschiede akzentuiert zur Anschauung zu bringen und als fundamentale Sinnebenen zu begreifen. Im Bewusstmachen des Einen existiert zugleich auch das Andere.

Die “ Flowings“ von 2014  zeigen als Weiterentwicklung der “ Netzwerke “ den Verzicht auf Quadratraster und die Verlagerung des  grafischen Systems in die fließende Farbe hinein. Beide, die Farbe und ihre grafische Formung, stehen einerseits in Abhängigkeit vom Relief – Grund und demonstrieren das Fließen der Farbe als kanalisierten zeitlichen Verlauf. Andererseits zeigt die Farbe die Tendenz, sich aus den gebundenen Verläufen zu lösen und in freien Fließbewegungen eigene irrationale Formen zu bilden. Der Bindung der Farbe steht ein unkalkulierbarer, sich von der vorgegebenen Struktur des Bild – Grundes sich lösender Farben – Fluss gegenüber.

Für den Betrachter eröffnet sich hinsichtlich  der Bindung und des freien Bewegungs – Flusses der Farbe die Möglichkeit, sich auf den Prozess des Fließens als zeitliche Erfahrung sowie auf die Entstehung bizarrer Formzusammenhänge einzulassen und möglicherweise assoziativ Natur bezogene Analogien zu bilden.

 

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